Während sich die deutsche Sprache rasant wandelt und etwa immer mehr englische Wörter ganz offiziell in den Sprachgebrauch übernommen werden, scheiden sich beim Gendern die Geister. Sowohl bei der Frage, wie korrekt gegendert werden kann – als auch schon bei der Frage, ob man überhaupt gendern muss.
In der Buchbranche ist dabei aktuell auch viel vom Sensivity Reading die Rede. Dabei geht es darum, dass sich unter anderem die Lektor:innen mit der Frage bbeschäftigen, ob ein Buch inklusive Sprache verwendet oder eben nicht. Also auch, ob gegendert wird oder nicht. Wenn du dich jetzt fragst, ob du in deinem Buch gendern musst, gibt dir dieser Blogartikel ein paar Denkanstöße an die Hand, damit du deine Entscheidung fundiert treffen kannst.
Sensitivity Reading – oder: Muss ich in meinem Buch gendern?
Nein. „Müssen“ tust du erst mal gar nichts. Zumindest beim Buchschreiben. ABER: Ob es nicht vielleicht doch sinnvoll wäre, zu gendern, kommt natürlich auch ein bisschen auf dein Thema und vor allem auch deine Zielgruppe an. Übrigens: Was genau es mit dem Sensitivity Reading auf sich hat, erkläre ich bald in einem weiteren Artikel – denn da geht es um mehr als nur ums Gendern.
Lass mich dir anhand eines plakativen Beispiels erklären, warum es für dich interessant sein kann, in deinem Buch gendergerechte Sprache zu verwenden. Insbesondere, wenn deine Zielgruppe überwiegend nicht-männlich ist.
Gendern ist kein Muss – es kann dir aber einen Vorteil verschaffen
Stell dir vor, du bist eine Frau, die abnehmen will. Du möchtest dazu erst mal ein paar Artikel und vielleicht auch ein Buch mit Informationen rund um deinen Körper sowie langfristiges und gesundes Abnehmen lesen, bevor du etwa einen Coach buchst. Nun hast du zwei Bücher entdeckt, deren Titel dich ansprechen. Beide Autor:innen versprechen, „Frauen dabei zu unterstützen, ihren Traumkörper zu bekommen und ihr Gewicht zu halten“.
Eine:r der beiden gendert, schreibt von „zufriedenen Kundinnen“ – und generell ist im gesamten Web- und Social-Media-Auftritt von Frauen/Kundinnen zu lesen. Bei der anderen Person geht es im Slogan zwar auch um die Unterstützung von Frauen, es ist aber immer von „meine Kunden“ die Rede. Was überzeugt dich eher?
Spoiler: Selbst die Frauen, die (vielleicht auch aus Prinzip) betonen, dass es für sie überhaupt keinen Unterschied macht, würden in den meisten Fällen intuitiv trotzdem eher zum ersten Buch greifen. Zumindest, wenn es auf den ersten Blick keine nennenswerten Unterschiede im Inhalt oder bei der Optik gibt. Aber Inhalt und Optik sind noch mal zwei ganz eigene Themen, auf die ich in anderen Artikeln noch ausführlicher eingehen werde.
"Aber andere Dinge sind doch viel wichtiger für mein Buch als gendern, oder?"
Das Beispiel mag etwas plump sein, aber ich denke, du verstehst, worauf ich hinauswill. Aber lass es uns noch mal genauer anschauen. Denn ja, natürlich: Wenn dein Buch kein ansprechendes Cover und keinen fesselnden Klappentext hat, ist es eher zweitrangig, wie du deine Leser:innen ansprichst. Merke also:
Inhalt, Optik und deren Qualität sind wichtiger als das Gendern
Kurz gesagt bleibt es völlig dir überlassen, ob und wie du genderst. Denn am wichtigsten ist ohnehin erst mal, dass dein Buch durch Qualität überzeugt. Das gilt sowohl für die Inhalte als auch die sprachliche und design-technische Ausgestaltung.
Denn, so abgedroschen es auch klingen mag: „Die Konkurrenz schläft nicht.“ Zwar bin ich normalerweise kein Fan von Konkurrenzdenken (außer vielleicht beim Fußball – ich will ja schließlich, dass mein Team gewinnt), aber es ist nun mal eine Tatsache, dass jedes Jahr unzählige Bücher erscheinen.
Und wenn sich dein Buch verkaufen soll, kannst du es dir nicht leisten, dich mit oberflächlichen Inhalten, unzähligen Rechtschreibfehlern oder einem halbgaren Coverdesign zufriedenzugeben. Dazu an anderer Stelle mehr.
Gendern ist (meist) auch keine Pflicht
Dazu kommt, dass es – außer vielleicht im öffentlichen Dienst – in der Regel auch keine Pflicht gibt, zu gendern. Zwar gibt es Verlage, die sich zumindest einen Disclaimer wünschen (s. unten), aber gerade, wenn du als Selfpublisher:in mit deinem Buch rausgehst, bleibt es ganz allein deine Entscheidung, wie du deine Leser:innen ansprichst.
Während also verschiedene Behörden angehalten sind, immer die „Bürgerinnen und Bürger“ anzusprechen und auch in der „Tagesschau“ meist von „Zuschauer:innen“, „Moderator:innen“ und „Sportler:innen“ die Rede ist, kannst du dir grundsätzlich aussuchen, ob du genderst oder nicht. (Wobei ja das generische Maskulinum auch eine Form des Genderns ist, aber das führt hier zu weit.)
Denn bislang gibt es für Autor:innen zwar die Empfehlung, nach Möglichkeit zu gendern. Aber es gibt dafür weder ein Gesetz noch eine einheitliche Regelung dafür, wie das Ganze aussehen sollte.
Thema Zielgruppe: Gendern kann im Buch den entscheidenden Unterschied machen
#Also, ja: Du musst nicht gendern. Und ja, es gibt bei deinem Buch auch Dinge, die wichtiger sind. Trotzdem kann es sich für dich lohnen, noch mal darüber nachzudenken, ob Frauen und nicht-binäre Personen in deinen Texten „immer mitgemeint“ sein sollen. Oder ob du die Ansprache deiner Leser:innen nicht etwas gezielter vornehmen willst.
Du hast sicherlich im Rahmen deiner Selbstständigkeit schon mindestens einmal eine Zielgruppenanalyse gemacht. Die ist bekanntlich von enormer Bedeutung, wenn du genau die Menschen erreichen willst, für deren Problem du eine Lösung anbietest.
Und genau diese Analyse kann dir dabei helfen, zu entscheiden, wie du es mit der gendergerechten Sprache halten solltest. Nicht nur in deinem Buch, sondern auch in sämtlichen anderen Bereichen – in Wort und Schrift. Stichwort: „Einheitlichkeit und Professionalität“. Wirkt schließlich nicht gerade professionell, wenn du auf der Website von „Kund:innen“, auf Social Media von „Kundinnen“ und im Buch plötzlich von „Kunden“ sprichst, oder?
An der Stelle zusätzlich noch mal der friendly reminder, der nicht nur für deine Copy, also deine Verkaufstexte, sondern ebenso auch für dein Buch gelten sollte: Wer für alle schreibt, schreibt für niemanden. 😉
Exkurs: So kannst du in deinem Buch gendern
Wir halten also fest: Gendern ist kein MUSS, es kann aber den entscheidenden Unterschied machen – sofern deine Kundschaft nicht rein männlich ist. Am besten ziehst du hier auch noch mal deine Zielgruppenanalyse und deine bisherigen Erfahrungen zu Rate. Wenn du für dich entschieden hast, dass du eine gendergerechte/inklusive Sprache in deinem Buch nutzen möchtest, stellst du dir nun vielleicht die Frage, welche Möglichkeiten es da so gibt. Hier ein erster Überblick:
Du kannst einen Disclaimer verwenden und anschließend mit dem generischen Maskulinum weiterschreiben.
Das ist die einfachste Lösung, wenngleich vielleicht nicht immer die sinnvollste. Der Text wird dann weiterhin im generischen Maskulinum verfasst. Im Disclaimer steht in der Regel so etwas wie: „Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im nachfolgenden Text auf gendergerechte Sprache verzichtet. Selbstverständlich sind aber nicht nur Männer, sondern auch Frauen und nicht-binäre Personen gemeint, sofern es sich bei den Beispielen nicht explizit um eine männliche Person handelt.“
Du kannst das generische Femininum nutzen.
Außerdem kann – statt des generischen Maskulinums – auch das generische Femininum gewählt werden. Das geschieht häufig, wenn die Zielgruppe (fast) ausschließlich weiblich ist. Und auch in einigen feministischen Schriften. Da ist dann also durchgehend von Kundinnen, Leserinnen, Trainerinnen etc. die Rede. Man könnte dann auch sagen: Da sind die Männer dann „mitgemeint“. 😉
Du kannst neutrale Begriffe oder das Gerundium verwenden.
Dann gibt es noch die Möglichkeit, geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden, wenn möglich. Also beispielsweise Lehrkraft und Fachkraft statt Lehrer/Lehrerin und Fachmann/Fachfrau.
In diesem Zusammenhang wurde auch die Verwendung des Gerundiums öfter mal vorgeschlagen – allerdings scheiden sich diesbezüglich die Geister (aufgrund der grammatikalischen Funktion des Gerundiums). Beispiel: Studierende statt Studenten/Studentinnen.
Du kannst die Dopplung nutzen. (Häufige Empfehlung)
Empfohlen wird meist die Dopplung, also etwa „Bürgerinnen und Bürger“ oder auch „der/die Bürger/Bürgerin“ bzw. „der/die Bürger/-in“. Also im Prinzip die Variante, die vonseiten der Politik und Behörden genutzt wird.
Oder du nutzt das Gendersternchen, den Doppelpunkt oder einen Unterstrich.
Häufig sieht man auch, dass mittels Gender-Stern und Co. gegendert wird. Also etwa Lehrer*in, Lehrer_in oder Lehrer:in. Dadurch soll der Lesefluss im Idealfall nur minimal beeinträchtigt werden.
Der Vollständigkeit halber sollte ich aber erwähnen, dass diese Schreibweisen eigentlich von der Duden-Redaktion nicht unbedingt empfohlen werden, da Sonderzeichen innerhalb eines Wortes nicht vorgesehen sind. (Mit Ausnahme vom Bindestrich bei Wortkopplungen.)
Und falls du dich jetzt gerade fragst, warum ausgerechnet ich als Lektorin dann trotzdem von „Leser:innen“ und „Kund:innen“ spreche: Because I can. Und weil es noch keine einheitliche Regelung gibt, die sich durchgesetzt hat.